Europa: Thorsten Schwab fordert mehr Sachlichkeit in der Debatte. Nationale Alleingänge nach britischem Vorbild sind keine Option

24.06.2016

Der Ausstieg Großbritanniens und das geplante Handels- und Investitionsabkommen mit den USA (TTIP) erhitzt derzeit die Gemüter. Europaausschussmitglied Thorsten Schwab, MdL, ruft zu mehr Sachlichkeit in der politischen Debatte auf und warnt vor Kirchturmdenken.

Die Briten haben sich entschieden: Gegen den Verbleib im europäischen Staatenverbund und für den nationalen Alleingang. „Wer aber im großen Weltkonzert mitspielen möchte, der muss auf Gemeinschaft und Zusammenarbeit setzen“, so der CSU-Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab zum gestrigen Votum. Mit der Devise „einfach nur dagegen sein“ lässt sich gut auf Stimmenfang gehen, genauso mit all den kleinen Ärgernissen die die Europäische Gemeinschaft mit sich bringt. „Ich vermisse eine Rückbesinnung auf das Große und Ganze, auf den Grundgedanken der Europäischen Union. Klarere Zuständigkeiten sind gefragt, die aktuelle Situation muss zwingend zu einer Bestandsaufnahme führen an deren Ende eine Vereinfachung der Strukturen stehen sollte“, fordert Schwab. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist spürbar, über die Vorteile der Gemeinschaft wird nicht mehr diskutiert, nimmt Schwab wahr. Die EU muss sich auf die Kernkompetenzen besinnen und darf nicht im klein-klein des Bürokratismus untergehen.

Ähnlich verhält es sich mit der Diskussion um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. "Die Frage des Pro und Contra im Rahmen einer Volksbefragung auf eine einfache Ja- oder Nein-Entscheidung zu reduzieren, wird der Sache aber nicht gerecht", ärgert sich Schwab über entsprechende Forderungen. Es gehe nicht darum, ob man für oder gegen TTIP ist, sondern darum, wie das Abkommen letztendlich ausgestaltet ist. Konstruktive Kritik und eine klare Interessenvertretung seien dabei gefragt.

Schwab begrüßt ausdrücklich die Debatte in der Bevölkerung, die zu einer Transparenzoffensive der EU-Kommission geführt hat. Nicht nur das Verhandlungsmandat, sondern auch ausführliche Berichte zu den einzelnen Verhandlungsrunden werden offengelegt und sorgen für ein hohes Maß an Teilhabe, das bei Verhandlungen dieser Art nicht selbstverständlich ist. Allerdings könne es vor den eigentlichen Verhandlungen keine breite Diskussion in der Öffentlichkeit zu den einzelnen Positionen und Strategien geben. Diese würde die Verhandlungsmacht der Europäer empfindlich gefährden und am Ende einem hochwertigen Ergebnis entgegenstehen.

„Es ist gut, dass Bürger und Politik wachsam sind“, betont Thorsten Schwab, der im Landtag zugleich im Landwirtschafts- und im Europaausschuss sitzt und damit die verschiedensten Befürchtungen, Wünsche und Argumente kennt: „Wir müssen bei TTIP mit Bedacht vorgehen und sicherstellen, dass unsere Umwelt- und Verbraucherschutzstandards erhalten bleiben.“ Vieles werde aber auch aufgebauscht, Chlorhühnchen oder eine Gefahr für unser Reinheitsgebot werde es nicht geben. Am Ende müsse der Text ausreichende Schutzklauseln enthalten, um etwa bei einer Explosion der Importe die heimische Lebensmittelproduktion nicht zu gefährden. Auch in der Frage der Schiedsgerichte müsse ein ausgewogener Kompromiss gefunden werden. Zu diesen und anderen Punkten hat das Europäische Parlament bereits im letzten Jahr klare rote Linien abgesteckt. Blieben am Ende Punkte bestehen, die kategorisch abgelehnt werden, so die Volksvertreter, würde das Parlament die Zustimmung zum Abkommen verweigern. Da es sich wohl um ein sogenanntes „gemischtes Abkommen“ handelt, müssen am Ende sowohl das EU-Parlament als auch alle nationalen und zahlreiche regionalen Parlamente zustimmen, damit das Abkommen zustande kommt.

"Wenn man am Ende abwägt, überwiegen klar die Vorteile eines Abkommens", wertet Thorsten Schwab. "Die Risiken können in den Verhandlungen ausgeschlossen werden, die enormen Vorteile für die Handelsmacht Europa gibt es jedoch nur mit dem Abkommen." Ziel der Verhandlungspartner ist es nicht, Verbraucherstandards zu vereinheitlichen, sondern Handelshemmnisse und Zölle abzubauen. In erster Linie geht es hierbei um den Austausch von Industriegütern. Die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner, heute ist fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängig. Insbesondere die exportorientierte bayerische Wirtschaft mit ihrem Hauptexportschlager Kraftfahrzeuge, aber auch mit ihren hochwertigen und international gefragten landwirtschaftlichen Produkten, braucht den freien Handel als wichtigste Triebkraft, um langfristig Arbeitsplätze und Wachstum zu sichern. Nicht zuletzt Russlands Importstopp und die gesunkene Nachfrage in China haben zu einer dramatischen Krise auf unseren Agrarmärkten geführt. Dies verdeutlicht, wie wichtig ein guter Zugang zu unterschiedlichen Märkten ist. Aber nicht nur die Landwirtschaft und die großen Konzerne profitieren, gerade für kleine und mittlere Unternehmen eröffnen sich neue Möglichkeiten, wenn Handelshemmnisse abgebaut werden.

"Wenn wir nicht wollen, dass uns die Bedingungen für den Welthandel aus Asien diktiert werden, müssen wir diese gemeinsamen mit unseren amerikanischen Partnern selbst festlegen. Gute transatlantische Beziehungen und eine starke Handelspartnerschaft sind für uns alternativlos, wenn wir weiterhin Exportland sein wollen“, mahnt Thorsten Schwab. Ob dem Vertragstext am Ende zugestimmt werden kann, bleibe freilich abzuwarten. Die Bedingungen dafür seien jedoch klar.